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Kontrollpflicht bei leer stehendem Gebäude

Das OLG Frankfurt a.M. hat mit nunmehr veröffentlichtem Urteil vom Urteil vom 06.12.2023 (Aktenzeichen: 18 U 53/22) klargestellt: Wenn ein Wohngebäude, das gegen Leitungswasserschäden versichert ist, leer steht und nicht ordnungsgemäß bewohnt wird, verstößt der Versicherungsnehmer gegen seine vertraglichen Obliegenheiten, wenn er das Gebäude nicht regelmäßig überwacht und sämtliche wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abschaltet, entleert und trocken hält. Weder gelegentliche Besichtigungen durch einen Makler für potenzielle Käufer noch geplante Weitervermietungen oder Renovierungsarbeiten im Haus stellen eine Nutzung des versicherten Gebäudes im Sinne der Versicherungsbedingungen dar.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus Versicherungsleistungen anlässlich eines Wasserschadens geltend.


Der Kläger ist Eigentümer des Einfamilienhauses Straße1 in Stadt1, das mit Vertragsbeginn 05. Februar 2020 als „ständig bewohntes Einfamilienhaus“ im Rahmen einer Wohngebäude-Versicherung bei der Beklagten versichert ist. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (Versicherung1 VGB 2019) zugrunde.

 

Das Gebäude war zunächst vermietet. Zumindest in den Monaten Januar bis März 2021 stand es leer. Zum 01. April 2021 wurde es erneut vermietet.

 

Am 01. April 2021 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Wasserschaden in dem versicherten Haus. Im Auftrag des Klägers führte der Sachverständige A am 01. April 2021 einen Ortstermin durch. In seinem Gutachten vom 06. April 2021 dokumentierte er einen umfangreichen Wasserschaden im Erdgeschoss und Obergeschoss des Hauses und schätzte die Sanierungskosten auf netto 30.834,95 €.

 

Die Beklagte ihrerseits beauftragte den Sachverständigen B mit der Aufnahme des Schadens und der Feststellung der Schadensursache. Der Sachverständige führt in seinem Gutachten vom 30. April 2021 aus, der Kläger habe angegeben, der vorherige Mieter sei am 10. Oktober 2020 aus dem Haus ausgezogen. Er, der Kläger, sei seit dem 10. Oktober 2020 nicht mehr in dem Haus gewesen. Die Heizungsanlage sei von dem Kläger ausgeschaltet worden, die Heizungsrohre seien nicht entleert worden. Der Wasserschaden sei etwa um die Zeit des Einzugs der neuen Mieter entdeckt worden. Weiter hält der Sachverständige in seinem Gutachten fest, es sei davon auszugehen, dass die Leckage auf Frosteinwirkung in dem unbeheizten Gebäude zurückzuführen sei, wobei das Kupferrohr in der Außenwand des Badezimmers (1. OG) durch gefrorenes Heizungswasser aus dem Rohranschluss herausgedrückt worden sei.

 

Mit Schreiben vom 06. Mai 2021 lehnte die Beklagte eine Schadensregulierung aufgrund einer Leistungskürzung wegen schuldhafter vertraglicher Obliegenheitsverletzungen des Klägers ab.

 

Der Kläger hat behauptet, das Gebäude sei bis Ende Dezember 2020 voll vermietet gewesen; der Auszug des Mieters sei erst Ende Dezember 2020 erfolgt. Das Gebäude habe veräußert werden sollen. Der mit der Vermarktung des Objekts beauftragte Makler C habe das Anwesen regelmäßig mehrfach in der Woche für Besichtigungen aufgesucht. Das Haus sei stets ausreichend beheizt gewesen. Die neuen Mieter seien bereits im März eingezogen bzw. hätten im März mit der Renovierung begonnen.

 

Es liege kein Frostschaden vor. Von Dezember 2020 bis März 2021 seien keine derartigen Temperaturen gewesen, die zu einem Frostschaden hätten führen können.

 

Die Beklagte hat behauptet, das Objekt habe ab dem 10. Oktober 2020 bis zum 01. April 2021 leer gestanden. Der Kläger habe die Heizung ausgestellt und – unstreitig – die wasserführenden Anlagen nicht abgesperrt und entleert. Der Wasserschaden sei durch einen Frostschaden eingetreten. Die Schäden im Erdgeschoss an der Außendecke unter dem Schlafzimmer sowie im Flur könnten nicht durch den Leistungswasseraustritt verursacht worden sein. Der Kläger habe vorsätzlich gegen § 24 Ziff. 1b) und c) VGB 2019 verstoßen und zudem den Frostschaden infolge des Nichtbeheizens nach § 81 Abs. 2 VVG grob fahrlässig herbeigeführt. Die Beklagte sei deshalb berechtigt, die Leistung bis auf Null zu kürzen.

Das Oberlandesgericht hat folgendes entschieden:

 

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den streitgegenständlichen Wasserschaden aus dem Wohngebäude-Versicherungsvertrag hat, weil der Kläger gegen seine Obliegenheiten verstoßen hat und die Beklagte deshalb zur vollständigen Leistungskürzung berechtigt ist.

 

1. Der Kläger hat mit der Beklagten einen Vertrag über eine Wohngebäude-Versicherung abgeschlossen. Ausweislich des Versicherungsscheins und § 3 Ziff. 1a) VGB 2019 (im Folgenden: VGB) ist u.a. das Leitungswasser-Risiko (Rohrbruch, Frost) versichert. Unstreitig ist ein Leitungsbogen aus einer Lötmuffe herausgedrückt worden und hat zu einem Wasserschaden geführt, so dass ein Versicherungsfall eingetreten ist.

 

2. Die Beklagte ist jedoch aufgrund von Obliegenheitsverletzungen des Klägers von der Leistung befreit.

 

a) Der Kläger hat gegen bestehende Obliegenheiten verstoßen.

 

aa) Der Kläger hat die vertragliche Obliegenheit nach § 24 Ziff. 1b) VGB verletzt.

 

Danach hat der Versicherungsnehmer die vertraglich vereinbarte, besondere Obliegenheit, nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile zu jeder Jahreszeit genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.

 

(1) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger mit seiner Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, das Gebäude sei zumindest von Januar 2021 bis Ende März 2021 nicht „genutzt“ worden.

 

Ein Gebäude wird nach allgemeinem Sprachgebrauch dann nicht genutzt, wenn es leer steht und damit nicht als Wohnung oder Lager gebraucht wird (OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 29. April 2020 – 10 U 2170/19, Rn. 7, juris). Zwar kommt § 24 Ziff. 1b) VGB nicht bereits dann zur Anwendung, wenn ein versichertes Gebäude nicht ständig genutzt wird, sondern erst dann, wenn es nicht (mehr) genutzt wird. Deshalb wird ein Gebäude beispielsweise dann genutzt, wenn ein voll möbliertes Haus – wenn auch in unregelmäßigen Abständen – weiterhin zeitweise bewohnt wird (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 – IV ZR 233/06, Rn. 18, juris). Vorliegend stand das Haus des Klägers jedoch zumindest von Januar 2021 bis März 2021 leer und wurde auch nicht bestimmungsgemäß bewohnt. Dabei führen auch weder die gelegentliche Präsentation durch einen Makler gegenüber Kaufinteressenten (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. September 2003 – 3 U 184/02, ZfSch 2003, 601) noch eine geplante Weitervermietung oder die Vornahme von Renovierungsarbeiten in einem leer stehenden Haus zu einer Nutzung (vgl. Armbrüster, in: Prölls/Martin, VVG, 31. A., VGB 2010 – Wert 1914 GNP § 16 Rn. 5, 6 m.w.N.).

 

Soweit der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, es seien „auch im Januar und Februar zu viele Menschen im Haus“ gewesen, gibt dies keine Veranlassung, von einer Nutzung des Hauses auszugehen und die Anwendung des § 24 Ziff. 1b) VGB zu verneinen. Die Angaben des Klägers stehen ersichtlich im Widerspruch zu seinem schriftsätzlichen Vorbringen im Schriftsatz vom 03. Juni 2022, wonach der Auszug der Mieter Ende Dezember 2020 erfolgte und das Haus sodann „eine gewisse Zeit leer stand“. Den Widerspruch zu diesem Vortrag hat der Kläger nicht erläutert, so dass der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgeht, dass das Haus entsprechend dem ursprünglichen Vortrag des Klägers von Januar 2021 bis März 2021 nicht genutzt wurde.

 

(2) Der Kläger hat bereits deshalb gegen § 24 Ziff. 1b) VGB verstoßen, weil er nicht alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abgesperrt, entleert und entleert gehalten hat. § 24 Ziff. 1b) VGB verlangt bei nicht genutzten Gebäuden und Gebäudeteilen, diese genügend häufig zu kontrollieren und alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, d.h. es ist in jedem Fall das Entleeren der Leitungen erforderlich (OLG Celle, Urteil vom 7. Juni 2007 – 8 U 1/07, Rn. 44, juris; OLG Koblenz, aaO., Rn. 4). Das kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift weder durch eine genügend häufige Kontrolle noch durch irgendeine Form von Beheizen ersetzt werden (OLG Celle, aaO.).

 

Zudem ist davon auszugehen, dass der Kläger seiner Kontrollpflicht nicht genügt hat. Unstreitig hat der Kläger selbst das Objekt seit dem Auszug der Altmieter bis zum Einzug der neuen Mieter nicht betreten. Zwar hat nach der Behauptung des Klägers der von ihm mit der Vermarktung beauftragte Makler regelmäßig mehrfach die Woche das Anwesen für Besichtigungen aufgesucht. Zum einen aber hat der Kläger bereits nicht behauptet, den Makler konkret mit der Kontrolle des Gebäudes und insbesondere der Leitungen beauftragt zu haben. Zum anderen bedeutet das Betreten des Hauses zum Zwecke seiner Veräußerung noch keine Kontrolle des Hauses im Sinne des § 24 Ziff. 1b) VGB, zumal die erforderliche Kontrolle nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch die Entleerung und das Entleerthalten der wasserführenden Anlagen umfasst (Prölss/Martin/Armbrüster, 31. A., VGB 2010 – Wert 1914 GNP § 16 Rn. 7). Dass der Makler eine solche Kontrolle vorgenommen hat, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Im Übrigen hat der Kläger den Makler nur zum Beweis der Tatsache als Zeugen benannt, dass das Gebäude beheizt gewesen sei, nicht aber dafür, dass dieser eine konkrete Kontrolle des Gebäudes und seiner Leitungen/Heizung vorgenommen habe.

 

bb) Das Landgericht hat auch eine Verletzung der Obliegenheit des § 24 Ziff. 1c) VGB 2019 angenommen, wonach der Versicherungsnehmer in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten hat.

 

Dies ist insoweit zutreffend, als der Kläger – unterstellt, er habe das Haus während des Leerstandes ausreichend beheizt – die Beheizung nicht genügend kontrolliert hat. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 24 Ziff. 1b) und § 24 Ziff. 1c) VGB zwei getrennte Obliegenheiten für unterschiedliche Situationen regelt. 24 Ziff. 1b) VGB will dem Risiko des nicht genutzten Gebäudes vor Leitungswasserschäden vorbeugen; demgegenüber betrifft die Sicherheitsvorschrift des § 24 Ziff. 1c) VGB das Risiko der kalten Jahreszeit, mithin der Frostvorsorge (Spielmann, Sicherheitsvorschriften in der Leistungswasser-/Rohrbruchversicherung, VersR 2006, 317). Treffen beide Obliegenheiten zusammen, so geht nach ganz h.M. § 24 Ziff. 1b) VGB als Spezialvorschrift dem § 24 Ziff. 1c) VGB vor (OLG Celle, aaO., Rn. 45; OLG Koblenz, aaO., Rn. 4; OLG Frankfurt, aaO.). Die Klausel des § 24 Ziff. 1b) trägt der besonderen Gefährdung nicht genutzter Gebäude oder Gebäudeteile Rechnung. Die Sicherungsmaßnahme ist ausdrücklich zu jeder Jahreszeit zu treffen und soll den Eintritt des Versicherungsfalls für alle versicherten Gefahren verhindern, also nicht nur das Frostrisiko beschränken, sondern auch Risiken wie Vandalismusschäden oder Materialermüdung eingrenzen (OLG Celle, aaO.). Damit ist sie gegenüber § 24 Ziff. 1c) VGB spezieller und geht als lex specialis vor.

 

Im Übrigen macht der Kläger gerade geltend, dass es sich nicht um einen Frostschaden handele. Dann könnte mangels Vandalismus allenfalls eine Materialermüdung vorliegen. Dieses Risiko ist aber gerade von § 24 Ziff. 2b) mit seinen gegenüber § 24 Ziff. 2c) strengeren Obliegenheiten bei einem leer stehenden Gebäude erfasst.

 

b) Das erforderliche Verschulden ist gegeben. Der Kläger hat grob fahrlässig gegen die Obliegenheit des § 24 Ziff. 2b) VGB verstoßen.

 

Die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer (§ 28 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 VVG; § 24 Ziff. 2 i.V.m. § 23 Ziff. 3a) S. 2 VGB). Der Versicherungsnehmer muss also darlegen und beweisen, dass ihn kein Verschulden oder ein geringerer Grad als grobe Fahrlässigkeit trifft. Bezugspunkt des Verschuldens ist dabei die Verletzung der Sicherheitsvorschrift, nicht dagegen die Herbeiführung des Versicherungsfalls. Unkenntnis der Sicherheitsvorschriften exkulpiert den Versicherungsnehmer nicht, jedenfalls dann nicht, wenn diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Dies ist zu bejahen, wenn sich dem Versicherungsnehmer die Existenz der verletzten Obliegenheit aufdrängen muss. Grundlegende Sicherheitsvorschriften können als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, zudem hat der Versicherungsnehmer eine entsprechende Erkundigungspflicht (OLG Koblenz, aaO., Rn. 13).

 

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er nicht mindestens grob fahrlässig gehandelt hat. Das ihm die grundlegende Obliegenheit des § 24 Ziff. 2b) VGB nicht bekannt war, hat der Kläger nicht behauptet. Unbestritten wusste der Kläger auch von dem Auszug der Mieter. Weiß der Versicherungsnehmer, dass der Mieter ausgezogen ist, besteht eine Kenntnis der Nichtnutzung (OLG Hamm, Urteil vom 30. Januar 1998 – 20 U 199/97, Rn. 9, juris). Sperrt er dennoch die Wasserleitungen nicht ab und entleert er diese nicht, so handelt er regelmäßig grob fahrlässig (OLG Hamm, aaO.). Dies gilt hier umso mehr, als der Leerstand mehrere Monate und über die winterliche Jahreszeit andauerte und der Kläger nicht nur die wasserführenden Anlagen und Einrichtungen nicht abstellte, sondern auch eine genügende Kontrolle des Objekts unterließ.

 

Das grobe Verschulden des Klägers entfällt auch nicht dadurch, dass nach seiner Behauptung das Gebäude beheizt war und der Makler dies bei seinen Besichtigungen habe feststellen können. Zwar kann es ausreichend sein, wenn der Versicherungsnehmer statt der geforderten eine alternative Sicherheitsmaßnahme ergreift, von der er nach den Umständen ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen darf, dass sie zur Risikovermeidung mindestens ebenso gut geeignet ist wie die vom Versicherer verlangte Maßnahme. Das Landgericht hat aber zu Recht angenommen, dass im Bereich der Entleerungspflicht nach § 24 Ziff. 1b) VGB strenge Anforderungen zu stellen sind. Insoweit reicht es bei einem leer stehenden, nicht genutzten Gebäude gerade nicht, lediglich die für die kalte Jahreszeit vereinbarten Sicherungsmaßnahmen (Entleeren der Wasserleitung oder alternativ Heizen und ausreichende Kontrolle) durchzuführen (vgl. OLG Koblenz, aaO., Rn. 4). Insbesondere das Beheizen alleine ist nicht ausreichend, als gleichwertige Sicherungsmaßnahme gegenüber dem Entleeren der Rohre angesehen zu werden. Denn nur das Entleeren der Rohre ist geeignet, die bei ungenutzten Gebäuden bestehenden besonderen Leitungswassergefahren zu verhindern (vgl. OLG Celle, aaO., Rn. 46). Deshalb ist das Nicht-Absperren und Nicht-Entleeren von Wasserleitungen in leerstehenden Gebäudeteilen – insbesondere zur kalten Jahreszeit – als grob fahrlässig einzustufen (vgl. auch OLG Frankfurt, aaO.; OLG Hamm, aaO., Rn. 7 ff.).

 

c) Das Verhalten des Klägers ist für den Eintritt des Versicherungsfalles auch kausal geworden.

 

Den Entlastungsbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG kann der Kläger nicht führen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es zu dem Rohrbruch durch Frost oder durch Materialermüdung gekommen ist. Auf alle Fälle wäre das Haus nicht beschädigt worden, wenn die wasserführenden Leitungen abgesperrt und entleert worden wären (OLG Celle, aaO., Rn. 49).

 

d) Die grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit führt auch zu einer völligen Leistungsfreiheit der Beklagten.

 

§ 24 Abs. 2 i.V.m. § 23 Ziff. 1 b), Ziff. 3 VGB sieht vor, dass die Beklagte ganz oder teilweise leistungsfrei ist, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Insoweit gilt nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG, dass der Versicherer leistungsfrei ist, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall der grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, § 28 Abs. 2 S. 2 VVG. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Versicherer auch bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen. Dies bedarf stets einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls und gilt insbesondere in Fällen, in denen sich der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit dem Vorsatz annähert (BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 – IV ZR 251/10, Rn. 9, juris).

 

aa) Nicht zu folgen ist der Beklagten zunächst allerdings in ihrer Bewertung, dass sie bereits deshalb von ihrer Leistungspflicht befreit sei, weil der Kläger vorsätzlich gegen die Sicherheitsvorschriften in § 24 Ziff. 1 b) und c) verstoßen habe. Einen Vorsatz, für den die Beklagte beweispflichtig ist (Armbrüster in Prölss/Martin, 31. A., § 28 VVG Rn. 193), vermag der Senat nicht zu erkennen.

 

bb) Die Leistungsfreiheit der Beklagten folgt aber aus einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls und daraus, dass sich der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit des Klägers dem Vorsatz nähert.

53Unstreitig hat der Kläger das Haus seit Oktober 2020 nicht mehr betreten. Die Mieter sind nach seinen eigenen schriftsätzlichen Angaben Ende Dezember 2020 ausgezogen. Damit stand das Haus leer und war vielfältigen Gefahren (Witterungsverhältnissen, Vandalismus Dritter, Materialermüdung) ausgesetzt. Eigene Objektkontrollen hat der Kläger nicht durchgeführt; dass der Makler mit konkreten wasserleitungsbezogenen Objektkontrollen beauftragt worden wäre oder solche vorgenommen hätte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass es sich während des Leerstands von Januar 2021 bis Ende März 2021 nicht nur um eine kalte Jahreszeit handelte, sondern ausweislich des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes zwischen dem 8. und 13. Februar 2021 eine Dauerfrostperiode herrschte, bei der die Temperaturen auf Tiefstwerte um -10°C bis um -14°C zurückgingen. Der Kläger behauptet zwar pauschal, das Haus sei stets beheizt gewesen, und er hat eine per Handy erfolgte Bestätigung des Maklers vorgelegt, wonach die Heizung bei den während der Verkaufszeit regelmäßig durchgeführten Besichtigungen „immer in Ordnung“ gewesen sei. Es ist aber weder vorgetragen, auf welcher tatsächlichen Grundlage diese Bewertung erfolgt ist, noch ist ersichtlich, dass der Kläger, der eine Frostperiode bestritten hat, überhaupt den vorherrschenden Temperaturen Beachtung geschenkt hätte und die Heizung auf die konkreten Temperaturen eingestellt hätte. Bei einer solchen Konstellation wird ein Leitungswasserschaden regelrecht leichtfertig herausgefordert, ohne dass es darauf ankommt, ob der eingetretene Schaden tatsächlich auf Frosteinwirkung zurückzuführen ist. Das Handeln des Klägers, der weder – was erforderlich gewesen wäre – die wasserführenden Leitungen entleert und abgesperrt noch sonst genügend häufige konkrete Kontrollen durchgeführt hat bzw. hat durchführen lassen, stellt sich damit als dermaßen grob fahrlässig dar, dass die Beklagte berechtigt ist, ihre Leistung vollständig zu kürzen.

 

Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob auch eine grob fahrlässige Herbeiführung eines Versicherungsfalles nach § 81 Abs. 2 VVG vorliegt und die Beklagte auch deshalb von der Leistung befreit ist, weil mit dem Auszug der Mieter eine Gefahrerhöhung eingetreten wäre, die ihr nicht angezeigt wurde.

 

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.