Lange Zeit war umstritten, ob bei dem für die Verweisbarkeit des Versicherten auf eine andere berufliche Tätigkeit gebotenen Einkommensvergleich das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen auf den Vergleichszeitpunkt fortzuschreiben ist. Dies hat der IV. Zivilsenat mit Urteil vom 26.06.2019 (Aktenzeichen: IV ZR 19/18) abgelehnt.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger nimmt den beklagten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf Fortzahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch.
Der Kläger unterhält bei dem Beklagten seit dem 1. März 2000 eine Berufsunfähigkeitsversicherung, der „Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung“ (im Folgenden: B/BV) sowie „Tarifbestimmungen zur Tabelle BV“ (im Folgenden: TB/BV) zugrunde liegen. Die B/BV lauten auszugsweise:
„§ 12 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
(1) Nach Anerkennung … unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad … nachzuprüfen; … Dabei können wir erneut prüfen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne von Ziffer I Nr. 2 der Tarifbestimmungen ausüben kann, wobei … neu erworbene berufliche Fähigkeiten, gegebenenfalls im Rahmen der durch Ziffer I Absatz 2.4 der Tarifbestimmungen gezogenen Grenzen, zu berücksichtigen sind.
….“
In den TB/BV heißt es u.a.:
„I) Vereinbarung zu § 1 B/BV: Welchen Umfang hat Ihr Versicherungsschutz?
…
2. Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
(2.1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit … voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Die Verweisung auf eine andere Tätigkeit ist ausgeschlossen, wenn das jährliche Einkommen 20% oder mehr unter dem Einkommen im zuletzt ausgeübten Beruf liegt; sollte die herrschende Rechtsprechung künftig nur geringere Einkommensreduzierungen für zumutbar erachten, so ziehen wir diese heran.
….“
Der Kläger war seit dem Jahr 1998 im Wesentlichen als Dachdeckerhelfer tätig. Unterbrochen wurde diese Tätigkeit von einer viermonatigen Arbeitslosigkeit zu Beginn des Jahres 2006 und einer Beschäftigung als Elektrohelfer von Juli bis einschließlich November 2007. Zum Dezember 2007 wurde der Kläger wiederum von seinem früheren Arbeitgeber als Dachdeckerhelfer eingestellt, wobei der Arbeitsvertrag einen Stundenlohn von 10 € vorsah.
5Im Januar 2008 wurde bei dem Kläger ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Der Beklagte erkannte seine Leistungspflicht am 9. August 2008 an und erbrachte die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente.
Nach Eintritt der Berufsunfähigkeit begann der Kläger eine Umschulung zum Kaufmann, die er im Jahre 2011 abschloss. Mit Schreiben vom 10. Juli 2012 erklärte der Beklagte, den Kläger auf seine zum 23. April 2012 aufgenommene, mit monatlich 1.000 € brutto vergütete Tätigkeit als Kaufmann im Großhandel mit regelmäßiger Wochenarbeitszeit von 28 Stunden zu verweisen. Der Beklagte begründete dies unter anderem damit, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2007 ein durchschnittliches Einkommen von 12.340 € pro Jahr erzielt habe und die nunmehr ausgeübte Tätigkeit daher dessen bisheriger Lebensstellung entspreche. Er stellte hierauf - abgesehen von einer als Kulanzleistung bezeichneten Überweisung in Höhe von sechs weiteren monatlichen Rentenbeträgen - seine Zahlungen Ende August 2012 ein.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Verweisung nicht in Betracht komme, da er im Jahr 2007 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 15.523 € erzielt habe.
Nach Erhebung der zunächst auf Feststellung der Leistungsverpflichtung gerichteten Klage hat der Beklagte den Kläger mit Schriftsatz vom 3. Mai 2013 abstrakt auf eine vollschichtige Tätigkeit eines Kaufmanns im Großhandel und Verkauf verwiesen.
Zum 31. Dezember 2014 endete das 2012 begründete Beschäftigungsverhältnis des Klägers. 2016 nahm er eine mit monatlich 850 € brutto entlohnte Teilzeittätigkeit als Hausmeister auf.
Das Landgericht hat die zuletzt auf Zahlung der monatlichen Rente in Höhe von 691,71 € ab März 2013 bis längstens zum 1. März 2031 gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Der BGH begründete seine Entscheidung wie folgt:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Nach dessen Auffassung ist die Leistungspflicht des Beklagten nicht dadurch weggefallen, dass er den Kläger auf das seit April 2012 bestehende Arbeitsverhältnis konkret verwiesen habe. Diese Tätigkeit habe nicht dessen bisheriger Lebensstellung entsprochen. Den dabei anzulegenden Maßstäben werde eine allein auf das rechnerische Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre vor Eintritt der Berufsunfähigkeit abstellende Feststellung der vormaligen Lebensstellung nicht gerecht. Bei einer solchen Berechnung wirkten sich etwaige Arbeitszeitdefizite auch dann einkommensmindernd aus, wenn diese etwa auf die jeweilige Auftragslage des konkreten Arbeitgebers zurückzuführen seien. Der Kläger sei auch nur einmal arbeitslos gewesen, was seine Lebensverhältnisse im Januar 2008 nicht signifikant geprägt habe. Einer Feststellung der Lebensverhältnisse durch Ermittlung eines auf mehrjähriger Basis erzielten Durchschnittseinkommens stehe zudem entgegen, dass der Kläger 2007 aus in der Person seines Arbeitgebers liegenden Gründen vorübergehend außerhalb der Baubranche gearbeitet habe.
1
Vor diesem Hintergrund seien die vormaligen Lebensverhältnisse des Klägers im Mindestmaß maßgeblich durch die Bedingungen des seit 1997 jeweils durch Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe geprägt gewesen. Der rechtliche Ansatz, eine Fortschreibung des in gesunden Tagen erzielten Einkommens auf Grundlage aktueller Tarifbedingungen vorzunehmen, gelte jedenfalls dann, wenn diese auf einem Tarifvertrag mit erheblicher Verbreitung oder (wie vorliegend) auf einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarif beruhten. Zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit im Jahr 2012 errechne sich unter Heranziehung des Bau-Mindestlohns (Ost) in Höhe von 10 € pro Stunde nach Maßgabe der vereinbarten und auch üblichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden ein Einkommen als Dachdeckerhelfer von monatlich 1.733,33 € brutto. Mit dem tatsächlich erzielten Einkommen von 1.000 € brutto pro Monat habe der Kläger daher seine vormalige Lebensstellung nicht wahren können.
Auch durch die im Verlaufe des Rechtsstreits von dem Beklagten erklärte weitere Verweisung auf eine fiktive Vollzeittätigkeit mit 40 Wochenstunden als Kaufmann im Großhandel und Verkauf sei die Leistungspflicht des Beklagten nicht beendet worden oder auch nur vorübergehend in Wegfall geraten. Das fiktive Einkommen aus der Verweisungstätigkeit (1.428,27 € brutto bei einem Stundenlohn von 8,24 €) entspreche circa 80,4% des sich aus der Fortschreibung der vormaligen Lebensstellung des Klägers ergebenden Einkommens (1.776,67 € brutto aufgrund eines Bau-Mindestlohns von inzwischen 10,25 €); einen anderen Stundenlohn im fiktiven Arbeitsverhältnis habe der Beklagte nicht in einer erwiderungsfähigen Konkretheit dargelegt. Die Regelung in Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 TB/BV führe nicht etwa dazu, dass eine Überschreitung der angeführten Einkommensgrenze stets den Wegfall einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit bedeute. Vorliegend stehe dem Wegfall der Berufsunfähigkeit entgegen, dass die vormalige Lebensstellung durch ein vergleichsweise geringes Einkommen geprägt gewesen sei. Ferner wohne dem Bau-Mindestlohn (Ost) aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifs eine Sicherung des Einkommens vor Geldentwertung für die Zukunft inne, welche gegenüber einer lediglich einzelvertraglich geregelten Vergütung eine zusätzliche Statusverbesserung ausmache.
Die Entwicklung des Bau-Mindestlohns (Ost) führe außerdem dazu, dass ein fiktives Einkommen des Klägers aus der Verweisungstätigkeit jedenfalls ab dem 1. Januar 2014 wieder Einkünfte von weniger als 80% des Bau-Mindestlohns (Ost) und damit gegebenenfalls ein Wiederaufleben der Berufsunfähigkeit des Klägers zur Folge gehabt habe.
II.
Mit der gegebenen Begründung kann die Entscheidung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben.
1. Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach den Bedingungen des Beklagten (§ 12 Abs. 1 B/BV, Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 TB/BV) nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Senatsurteil vom 20. Dezember 2017 - IV ZR 11/16, VersR 2018, 152 Rn. 10 m.w.N.).
Da die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senatsurteile vom 7. Dezember 2016 - IV ZR 434/15, VersR 2017, 147 Rn. 16; vom 21. April 2010 - IV ZR 8/08, VersR 2010, 1023 Rn. 11). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit (Senatsurteile vom 7. Dezember 2016 aaO; vom 21. April 2010 aaO).
2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des Berufungsgerichts zu den beiden Änderungsmitteilungen des Beklagten nicht.
a) Es ist allerdings noch zutreffend davon ausgegangen, dass Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 Satz 2 TB/BV keine Regelung enthält, nach der die Verweisung auf eine Tätigkeit, in der das jährliche Einkommen weniger als 20% unter dem Einkommen im zuletzt ausgeübten Beruf liegt, stets wirksam wäre. Die hier vereinbarte Klausel entspricht nicht derjenigen, die einer früheren Senatsentscheidung zugrunde lag (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - IV ZR 287/10, VersR 2012, 427 Rn. 3). Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteil vom 6. März 2019 - IV ZR 72/18, VersR 2019, 542 Rn. 15 m.w.N.). Seinem Wortlaut nach legt Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 Satz 2 TB/BV ausschließlich fest, dass eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit ausgeschlossen ist, wenn das jährliche Einkommen 20% oder mehr unter dem Einkommen im zuletzt ausgeübten Beruf liegt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnimmt der Klausel im Umkehrschluss nur, dass bei geringeren Einkommenseinbußen eine Verweisung nicht ausgeschlossen ist. Ob die Verweisung darüber hinaus auch wirksam ist, bestimmt die Klausel dagegen nicht. Insoweit verbleibt es daher bei den in Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 Satz 1 TB/BV geregelten Voraussetzungen einer Verweisung; die andere Tätigkeit muss seiner bisherigen Lebensstellung entsprechen.
Bei einem anderen Klauselverständnis könnte die Berufsunfähigkeitsversicherung auch nicht mehr ihre Funktion erfüllen, die darin besteht, die bisherigen Lebensumstände sicherzustellen und einen individuellen und sozialen Abstieg des Versicherten im Berufsleben und in der Gesellschaft zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 - IV ZR 434/15, VersR 2017, 147 Rn. 25 m.w.N.). Eine generelle Quote der hinzunehmenden Einkommenseinbuße lässt sich angesichts der Bandbreite individueller Einkommen nicht festlegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 aaO Rn. 22). Vielmehr ist stets eine einzelfallbezogene Betrachtung unerlässlich und geboten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich prozentuale Einkommens- und Gehaltsminderungen - je nach Höhe des bisherigen Verdienstes - unterschiedlich belastend auswirken (Senatsurteile vom 7. Dezember 2016 aaO Rn. 24; vom 17. Juni 1998 - IV ZR 215/97, VersR 1998, 1537 unter II 3 [juris Rn. 23]).
b) Dagegen rügt die Revision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht seiner Vergleichsbetrachtung ein unzutreffend ermitteltes Einkommen im Ausgangsberuf zugrunde gelegt hat.
aa) Das Berufungsgericht hat anhand der im Arbeitsvertrag vom 30. November 2007 vorgesehenen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und des im Jahr 2012 geltenden Bau-Mindestlohns (Ost) von 10 €/Stunde, die auch vereinbart waren, ein monatliches Einkommen aus der Tätigkeit als Dachdeckerhelfer von mindestens 1.733,33 € brutto errechnet. Eine solche Bestimmung des Einkommens käme aber nur dann in Betracht, wenn der Kläger typischerweise gleichbleibende monatliche Einkünfte erzielt hätte, wie es bei abhängig Beschäftigten häufig der Fall sein mag (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - IV ZR 259/96, VersR 1998, 42 unter 4 c und 5 [juris Rn. 16 f.]). Die Revision weist indes zu Recht darauf hin, dass sich aus der Berechnung des Berufungsgerichts ein Jahreseinkommen ergibt, das erheblich diejenigen, ihrerseits schwankenden Einkünfte übersteigt, die der Kläger in den Vorjahren nach eigenem Vorbringen hatte. Für die Lebensstellung des Versicherten in seinem bisher ausgeübten Beruf ist jedoch entscheidend, was ihm tatsächlich regelmäßig monatlich an Einnahmen zur Verfügung stand (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - IV ZR 287/10, VersR 2012, 427 Rn. 17). Ein fiktives Einkommen kann seine Lebensstellung nicht geprägt haben.
Die danach notwendigen Feststellungen zum tatsächlichen Einkommen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es bedarf stets einer auf den Einzelfall abgestellten Wertung, ob mit der neuen Tätigkeit ein spürbarer sozialer Abstieg verbunden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - IV ZR 502/15, r+s 2017, 202 Rn. 7; Senatsurteil vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86, VersR 1988, 234 unter 2 b [juris Rn. 16]). Insoweit verbietet sich eine schematische Betrachtung. Anhand dieses Maßstabs ist auch zu prüfen, ob eine zeitweilige Arbeitslosigkeit und eine vorübergehende Tätigkeit in einem anderen Beruf die Lebensstellung des Klägers prägten.
bb) Als nicht tragfähig erweist sich damit auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, einkommensmindernde Arbeitszeitdefizite, die den Bedingungen des Arbeitsmarktes zuzurechnen seien, müssten für die Lebensstellung des Klägers von vornherein unberücksichtigt bleiben. Für die Lebensstellung des Versicherten ist maßgeblich, was er tatsächlich im zuletzt ausgeübten Beruf verdiente, und nicht, welches Einkommen in diesem Beruf theoretisch hätte erzielt werden können. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unterscheidet dies die Ermittlung des Einkommens im Ausgangsberuf von der Feststellung der Verdienstmöglichkeiten bei einer abstrakten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte nicht tatsächlich ausüben muss, und für die daher ohne Bedeutung ist, ob der Arbeitsmarkt ihre Ausübung durch den Versicherten in diesem Umfang zulässt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07, VersR 2008, 479 Rn. 19 m.w.N.; vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98, VersR 2000, 171 unter I 3 b [juris Rn. 18]).
c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht außerdem seiner Vergleichsbetrachtung ein auf den Zeitpunkt der Verweisung fortgeschriebenes Einkommen im Ausgangsberuf zugrunde gelegt und ist bei der Prüfung der Änderungsmitteilung im Schriftsatz vom 3. Mai 2013 von einem höheren Stundenlohn als dem bei Eintritt der Berufsunfähigkeit erzielten ausgegangen.
aa) Ob für den Vergleich zwischen bisherigem Beruf und Verweisungstätigkeit das bis zur Geltendmachung der Berufsunfähigkeit erzielte Einkommen im zuletzt ausgeübten Beruf zugrunde zu legen oder dieses Einkommen auf den späteren Zeitpunkt der Verweisung fortzuschreiben ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird angenommen, dass das früher erzielte Einkommen entsprechend der zu erwartenden Einkommenssteigerung auf den Vergleichszeitpunkt fiktiv fortgeschrieben werden muss (vgl. KG, Beschluss vom 10. Januar 2017 - 6 U 89/15, juris Rn. 24; LG Mannheim r+s 2013, 243, 244 [juris Rn. 32]) oder dass dies jedenfalls dann geboten ist, wenn die Einkünfte aus dem Vergleichsberuf einen erheblich späteren Zeitpunkt betreffen (vgl. OLG Oldenburg VersR 2017, 606 [juris Rn. 22]; Prölss/Martin/Lücke, VVG 30. Aufl. § 172 Rn. 91; MünchKommVVG/Dörner, 2. Aufl. § 172 Rn. 162; BeckOK-VVG/Mangen, Stand: 1. Juli 2018 § 174 Rn. 17; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. Abschnitt H Rn. 67). Weitere Stimmen wollen das bisherige Einkommen fiktiv um die Preissteigerungsrate bis zum Vergleichszeitpunkt erhöhen (vgl. HK-VVG/Mertens, 3. Aufl. § 172 Rn. 70; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. Abschnitt H Rn. 59; OLG Düsseldorf VersR 2018, 1497, 1498 [juris Rn. 10]; offengelassen in Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 - IV ZR 434/15, VersR 2017, 147 Rn. 23). Ein anderer Teil der Rechtsprechung vertritt dagegen die Auffassung, dass dem Vergleich allein das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen zugrunde zu legen ist (vgl. OLG Celle VersR 2017, 870, 871 [juris Rn. 34]; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 5. November 2014 - 7 U 172/13, juris Rn. 25 (für einen Selbständigen); OLG Köln VersR 1999, 1532, 1533 [juris Rn. 35]; früher auch KG VersR 1995, 1473, 1474).
bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft jedenfalls im Grundsatz zu. Bei dem für die Verweisbarkeit des Versicherten auf eine andere berufliche Tätigkeit gebotenen Einkommensvergleich ist das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen grundsätzlich nicht auf den Vergleichszeitpunkt fortzuschreiben.
(1) Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt der Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 TB/BV, dass für die Verweisbarkeit auf eine andere Tätigkeit maßgeblich ist, ob sie seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Damit verdeutlicht bereits der Wortlaut, dass es allein auf die bisherige, d.h. bis zur Geltendmachung der Berufsunfähigkeit erreichte Stellung ankommen kann. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2016 - IV ZR 434/15, VersR 2017, 147 Rn. 16; vom 21. April 2010 - IV ZR 8/08, VersR 2010, 1023 Rn. 11; Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 - IV ZR 48/06, VersR 2008, 521 Rn. 3; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für den Vergleich der vor dem Leistungsanerkenntnis zuletzt ausgeübten Tätigkeit mit der anderen, nach dem Anerkenntnis ausgeübten Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 2016 aaO; vom 21. April 2010 aaO; Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 aaO). Beim Einkommensvergleich kommt es entscheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensumstände an (Senatsurteile vom 7. Dezember 2016 aaO Rn. 25; vom 8. Februar 2012 - IV ZR 287/10, VersR 2012, 427 Rn. 10); die Berufsunfähigkeitsversicherung sichert dagegen nicht die künftige Verbesserung dieser Lebensumstände. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung im Ursprungsberuf nach Eintritt des Versicherungsfalles hat daher grundsätzlich außer Betracht zu bleiben.
Da grundsätzlich das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit erzielte Einkommen zugrunde zu legen ist, kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für die Bestimmung der Lebensstellung auch nicht darauf an, ob im Ausgangsberuf über den Eintritt der Berufsunfähigkeit hinaus künftige Lohnanpassungen aufgrund eines für diese Branche geltenden Mindestlohntarifvertrages gesichert waren. Damit kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des Mindestlohntarifvertrages auf das frühere Arbeitsverhältnis des Klägers verfahrensfehlerfrei festgestellt hat.
(2) Der vorgenannte Grundsatz kann allerdings dann eine Ausnahme erfahren, wenn sonst aufgrund eines besonders langen Zeitraums zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und ihrer Nachprüfung eine objektive Vergleichbarkeit des Einkommens und der damit verbundenen Lebensstellung nicht mehr gewährleistet wäre (vgl. OLG Oldenburg VersR 2017, 606 [juris Rn. 22]; Prölss/Martin/Lücke, VVG 30. Aufl. § 172 Rn. 91; MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 172 Rn. 162; BeckOKVVG/Mangen, Stand: 1. Juli 2018 § 174 Rn. 17; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. Abschnitt H Rn. 67). Dann kann bei entsprechendem Parteivortrag eine Anpassung des Ausgangseinkommens an einen späteren Vergleichszeitpunkt anhand hinreichend sicherer künftiger Einkommensentwicklungen in Betracht kommen. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
d) Soweit das Berufungsgericht auch im Fall einer zunächst wirksamen Verweisung ein späteres Wiederaufleben der Berufsunfähigkeit aufgrund künftiger Entwicklungen für möglich hält, entspricht dies nicht den Regeln des Nachprüfungsverfahrens in § 12 B/BV. Mit einer Beseitigung der Selbstbindung des Beklagten im Wege des Nachprüfungsverfahrens wäre der gedehnte Versicherungsfall beendet (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 - IV ZR 527/15, r+s 2017, 320 Rn. 20 f.). Davon zu trennen ist die Frage, ob die spätere Beendigung einer Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers zu begründen vermag, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der „in gesunden Tagen“ ausgeübten Tätigkeit nachzugehen. Damit kann ein neuer Versicherungsfall eintreten, falls der Versicherungsvertrag ausschließlich eine konkrete Verweisung auf eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit zulässt (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 aaO Rn. 28). Der Kläger ist nach den hier zugrundeliegenden Bedingungen jedoch abstrakt auf eine Vergleichstätigkeit verweisbar.
e) Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger könne bei einer Vollzeittätigkeit als Kaufmann, auf die der Beklagte ihn abstrakt verwiesen hat, einen Stundenlohn von höchstens 8,24 € erzielen, wird von der Revision zu Recht als verfahrensfehlerhaft gerügt. Das Berufungsgericht hat diesen Stundenlohn mit der Begründung zugrunde gelegt, der Beklagte habe anderweitige, insbesondere hinsichtlich des Stundenlohns abweichende Bedingungen eines fiktiven Arbeitsverhältnisses nicht in einer für den Kläger erwiderungsfähigen Konkretheit dargelegt. Diese Feststellung steht jedoch im Widerspruch zum Vortrag des Beklagten auf Seite 3 bis 4 des Schriftsatzes vom 1. November 2016, dass der Kläger auf einer Vollzeitstelle als Kaufmann im Großhandel und Verkauf mindestens das Einkommen des jeweiligen Mindestlohns Lohngruppe 2 im Baugewerbe Ost für die jeweiligen Jahre hätte erzielen können. Damit hat der Beklagte einen höheren Stundenlohn konkret behauptet, denn er bezieht sich damit auf die Ausführungen des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2016. Dort hat es dargelegt, dass der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Dachdeckerhelfer im Jahr 2007 einen dem seinerzeitigen Mindestlohn Ost der Lohngruppe 2 entsprechenden Stundenlohn in Höhe von 9,80 € verdient habe (Seite 5 des Protokolls).
III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat bereits deswegen gehindert, weil neue Feststellungen zum Einkommen im Ausgangs- und im Verweisungsberuf zu treffen sind.
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 07.08.2013 - 2 O 1540/12 -
OLG Jena, Entscheidung vom 21.12.2017 - 4 U 699/13 -